Liebe Judith, es gibt das Gerücht, dass du früher mal professionelle Duscherin werden wolltest. Stimmt das?
Ja. Weil ich Duschen total entspannend finde. Das Wasser fließt so an einem runter, man spürt den Körper, und mit dem fließenden Wasser rinnen auch die Gedanken weg, die man im Kopf hat. Und andere Gedanken haben auf einmal Platz. Deswegen habe ich früher immer gesagt: „Mach dein Hobby zum Beruf, werde Duscherin.“
Dann ist es aber doch anders gekommen und du hast Architektur studiert. Oder bist du erst Pyrotechnikerin geworden?
Ich habe erst studiert, und zwar Architektur an der Universität der Künste in Berlin. Das war natürlich was Besonderes, weil der Schwerpunkt ein anderer war als an der Technischen Hochschule. Und dann habe ich durch Zufall eine Frau kennengelernt, die Pyrotechnikerin war und die gesagt hat, komm doch mal mit. Und Pyrotechnik fand ich toll, weil ich viel ausprobieren und meine Ideen direkt umsetzen konnte. Ich habe auch viel darüber gelernt, wie man Räume inszeniert und Gefühle hervorrufen kann, zum Beispiel durch Feuer oder durch Nebel. Bei Veranstaltungen konnte ich das genau beobachten: Wenn wir an der Bühnenkante eine Wand aus Feuersäulen geschossen haben, hat der Saal gebrüllt vor Begeisterung. Aber dann hat mir doch wieder die Auseinandersetzung mit Raum gefehlt, und ich wollte beide Aspekte verbinden. Deswegen habe ich 2008 die Effektschmiede gegründet.
Und in der Effektschmiede hast du irgendwann einen Kugelbrunnen erfunden.
Stimmt. Aber ohne das lange Nachdenken über das Duschen wäre ich nie darauf gekommen. Es ging mir immer um diesen Entspannungseffekt. Den wollte ich aus der Dusche rausholen und in ein künstlerisches Objekt für den Innenraum übertragen. Deshalb habe ich angefangen zu überlegen, wie das Wasser darin klingen muss, oder welche Geräusche Wasser überhaupt macht. Damit habe ich mich jahrelang beschäftigt.
Und wie bist du schließlich auf die Lösung gekommen?
Das war reiner Zufall. Es war Frühjahr, und ich bin im Allgäu durch den Wald gelaufen. Und plötzlich habe ich genau das Geräusch gehört, das ich hören wollte, nämlich dieses leichte Murmeln und Plätschern von diesen kleinen Bächlein, die durch den Wald fließen und durch die Wiesen. Im Frühjahr klingt dieses Geräusch noch viel großartiger als sonst. Weil der Schnee geschmolzen ist, die Bäche gerade frisch aufgetaut sind und alles ganz viel Wasser hat. Und man weiß sofort: Jetzt ist Aufbruch, jetzt kommt die Sonne wieder, jetzt kommen die Blüten wieder. Das macht einfach gute Laune. Heute würde ich so weit gehen zu sagen, dass mich das glücklich macht.
So wie eine schöne Dusche am Morgen.
Bei diesen Bächlein im Wald ist es tatsächlich so wie bei der Dusche: Wenn man eine Zeitlang dem Geräusch ausgesetzt ist, verliert man den Faden zu dem, was man vorher gedacht hat. Dann stellt man auf einmal fest, dass die Gedanken ganz woanders sind. Bei dem kleinen Vogel, der da drüben sitzt, oder wo auch immer. Und da ist mir erst klar geworden, dass dieses plätschernde Geräusch tatsächlich hilft, sich zu entspannen und seine Gedanken umzukehren. Deshalb nenne ich meine MIKA VERA auch „Gedankenumkehrer“.
So wie der „Zeitumkehrer“ von Hermine Granger aus Harry Potter?
Genau. Ich fand das eine sehr inspirierende Idee. Stell dir mal vor, du hast ein Gerät, mit dem du deine Gedanken umkehren kannst. Was ja dann auch fast ein Zeitumkehrer ist. Und das Irre ist: Mit MIKA VERA funktioniert das. Ich habe das von Anfang an gespürt. Also man spürt Dinge, beschäftigt sich aber gleichzeitig mit etwas anderem. Und dadurch findet das Gespürte schließlich eine eigene Sprache und kommt zur Welt.